Steuertipps

Steuervorteile für Behinderte und Kranke

Allgemein:
Krankheits- und behinderungsbedingte Aufwendungen können steuermindernd berücksichtigt werden. Hierzu existieren eine Vielzahl von Einzelvorschriften und Regelungen, die teilweise alternativ oder nachrangig in Anspruch genommen werden können und in der Summe leider unübersichtlich und oft auch missverständlich sind.

Von den steuermindernd zu berücksichtigenden krankheits- und behinderungsbedingten Aufwendungen sind Aufwendungen zu unterscheiden, die der allgemeinen Gesundheitspflege und Gesundheitsvorsorge dienen oder einfach nur altersbedingt sind. Mehraufwendungen des normalen Alterungsprozesses sind bereits mit dem Grund- und Altersfreibeträgen abgegolten.

Zum Nachweis des krankheitsbedingten Aufwandes ist regelmäßig eine ärztliche Verordnung erforderlich. Bei Arzneimitteln ist dies das Rezept.  Dieses wird aber häufig nicht mehr erteilt, da die Krankenkassen bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen nur noch teilweise oder überhaupt nicht übernehmen. Tipp: In diesen Fällen empfehlen wir die Anforderung eines Privatrezeptes. Sie zahlen dann die Behandlungskosten selbst, können diese aber ggf. steuermindernd geltend machen.

Krankheitsbedingte Mehraufwendungen
Krankheitsbedingte Mehraufwendungen können durch die Krankenversicherung nicht abgedeckte Arzt- und Arzneimittelkosten, die Fahrtkosten zu Arzt- / Apothekenbesuchen und den vom Patienten zu tragenen Eigenanteilen bei Krankenhausaufenthalten, Reha-Maßnahmen und ärztlich verordneten Heilkuren entstehen. Darüber hinaus können krankheitsbedingte Aufwendungen für die persönliche Pflege und die Unterstützung im Haushalt (Haushaltshilfe) steuermindernd berücksichtigt werden. In allen Fällen sind die Aufwendungen zu belegen. Einmal ist der krankheitsbedingte Mehraufwand nachzuweisen (ärztliche Verordnung, Rezept etc.) und zum Anderen der finanzielle Eigenanteil (Rechnungen, Quittungen, Apothekenabrechnungen, Krankenkassenabrechnungen und Zahlungsnachweise).

Zur Unterscheidung zwischen zwangsläufig notwendiger Heilbehandlung und einer vorbeugenden Gesundheitsvorsorge verlangt die Finanzverwaltung regelmäßig die Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens. Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 hat der Gesetzgeber die Vorschriften zu seinen Gunsten - mit Rückwirkung -  präzisiert (§33 Abs. 4 EStG i.V. m. § 64 EStDV). Für Heil- und Hilfsmittel ist demnach immer eine ärztliche Verordnung vorzulegen. Für Heilbehandlungen die nicht von der Krankenkasse getragen werden, ist ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorzulegen. Details hierzu sind in § 63 EStDV (Einkommensteuerdurchführungsverordnung) zu finden.

Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes gem. Urteil vom 6.2.2014 (VI R 61/12) ist die Aufführung der Tatbestände die ein amtsärztliches Gutachten vor der Maßnahme fordern in der Vorschrift des § 64 Abs, 1 Nr. 2 ESTDV (Einkommensteuerdurchführungsverordnung) abschließend. Dementsprechend verneinte der BFH die Notwendigkeit eines amtsärztlichen Gutachtens vor Einbau eines Treppenliftes.  Die Beweislast der medizinischen Notwendigkeit trägt jedoch der Steuerpflichtige, so dass in jedem Falle bereits im Vorfeld solch kapitalintensiver Maßnahmen Gutachten angefordert werden sollten. 

Zumutbare Eigenbelastung des Steuerpflichtigen (§ 33 Abs. 3 EStG)
Maßgebend für die Grenze der Zumutbarkeit sind der Familienstand und das Einkommen (Gesamtbetrag der Einkünfte lt. Einkommensteuerbescheid).

Bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte:

bis 15.340 €

> 15.340 €

> 51.130 €

Alleinstehende Steuerpflichtige ohne Kinder

5%

6%

7%

Verheiratete Steuerpflichtige ohne Kinder (Splitting)

4%

5%

6%

Steuerpflichtige mit einem oder 2 Kind(er)

2%

3%

4%

Steuerpflichtige mit drei oder mehr Kindern

1%

1%

2%

Berechnung der Zumutbaren Eigenbelastung erfolgt stufenweise:

Der Bundesfinanzhof hat mit seinem Urteil vom 19.01.2017 – VI R 75/14 entschieden, dass die Regelung des § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG so zu verstehen ist, dass die zu berücksichtigende zumutbare Belastung stufenweise zu berechnen ist.

Beispiel:

Ehepaar ohne Kinder; Gesamtbetrag der Einkünfte 53.650 €

bis 15.340 €

4 %

613,60 €

bis 51.130 €

5 %

1.789,50 €

bis 53.650 €

6 %

151,20 €

gesamte zumutbare Belastung:

 

2.554,30 €

Nach der bisherigen Regelung würde die zumutbare Belastung 3.219 € betragen.

Zumutbare Eigenbelastung bei Krankheitskosten:
Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 13. 2.2008 (Beschluss: 2 BvL 1/06) ist zweifelsfrei abzuleiten, dass die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine Krankenversorgung in Höhe der Basisversorgung (Versorgung auf dem kostenlosen Versorgungsniveau der Sozialhilfeempfänger) steuerfrei bleiben müssen. Die Krankheitskosten sind allerdings als außergewöhnliche Belstungen um die zumutbare Eigenbelastung zu mindern (BFH-Urteil v. 29.09.2016 III R 62/13).

Behinderungsbedingte Mehraufwendungen
Von einer Behinderung ist auszugehen, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem, für das Lebensalter typischen Zustand eines Menschen abweicht (vergl. § 2 Abs. 3 SGB IX). In der Praxis werden häufig die Anträge auf Feststellung des Behinderungsgrades zu spät oder gar nicht gestellt. Hierüber sollte mit dem Arzt oder dem zuständigen Versorgungsamt gesprochen werden. Bescheide und Änderungsbescheide des Versorgungsamtes zur Körperbehinderung, die erst nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides ergehen, können dennoch rückwirkend berücksichtigt werden. Bei der Feststellung über den Grad der Körperbehinderung handelt es sich um einen Grundlagenbescheid. Bereits ergangene Steuerbescheide können damit aufgehoben und geändert werden (§ 171 Abs. 10 AO, § 175 Abs. 1 AO / BFH-Beschluss v. 27. 5.1998, III B 22/98, R 33b Abs. 1 EStR). Ist bereits Festsetzungsverjährung eingetreten, kann die Steuer im Rahmen eines Antrages auf Erlass aus Billigkeitsgründen erlassen werden § 227 AO).

1.      Behindertenpauschbetrag (§ 33b Abs. 3 EStG, § 65 EStDV, R 33b EStR)
Anstelle eines Einzelnachweises zu pflegebedingten Aufwendungen, die einer Person aufgrund einer Körperbehinderung entstehen, kann ein Pauschbetrag zur Minderung der Einkommensteuerlast (Solz., Kirchensteuer) in Anspruch genommen werden. Die Höhe des Pauschbetrages richtet sich nach dem Grad der Körperbehinderung. Dieser wird im Rahmen der Feststellung der Körperbehinderung durch das Versorgungsamt mittels Bescheid festgesetzt. In diesem Bescheid steht auch, zu welchem Zeitpunkt die Behinderung festgestellt wurde. Bereits für dieses Jahr kann die Steuervergünstigung in Anspruch genommen werden. Der Grad der Behinderung kann auch dem auf Antrag ausgestellten Behindertenausweis entnommen werden.

Pauschbetrag VZ 2020

Pauschbetrag ab VZ 2021

Grad der Behinderung

Pauschbetrag

Grad der Behinderung

Pauschbetrag

 

 

20

384 €

25 %  und   30 %*

310,00 €

30

620 €

35 %  und   40 %*

430,00 €

40

860 €

45 %  und   50 %

570,00 €

50

1.140 €

55 %  und   60 %

720,00 €

60

1.440 €

65 % und   70 %

890,00 €

70

1.780 €

75 %  und   80 %

1.060,00 €

80

2.120 €

85 %  und   90 %

1.230,00 €

90

2.460 €

95 %  und 100 %

1.420,00 €

100

2.840 €

erhöhter Pauschbetrag bei
Merkzeichen H, Bl,
Pflegegrad 4 und 5

3.700,00 €

erhöhter Pauschbetrag bei
Merkzeichen H, Bl,
Pflegegrad 4 und 5

7.400 €

Der Behindertenpauschbetrag wird stets in voller Höhe gewährt. Dies unabhängig davon, ob die Behinderung ganzjährig oder nur für einen Teil des Jahres bestanden hat (R 33b Abs. 7 EStR).

*Hinweis: Die Behindertenfreibeträge bei einem Grad der Behinderung von weniger als 50 % werden nur gewährt, wenn behinderungsbedingte Rentenansprüche bestehen oder die Behinderung lt. Bescheid zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit führt (§ 33b Abs. 2 EStG).
Ab VZ 2021 entfallen diese Zusatzvoraussetzungen ersatzlos.

Anstatt des Behindertenpauschbetrages können im Rahmen eines Einzelkostennachweises tatsächlich höhere typische Kosten der Behinderung geltend gemacht werden. Der Behindertenpauschbetrag dient nur der Vereinfachung. Das Wahlrecht kann für jeden Veranlagungszeitraum eigenständig ausgeübt werden.

Der Behindertenpauschbetrag umfasst nur die laufenden typischen Kosten der Behinderung. Hierzu gehören die behinderungsbedingten Mehraufwendungen für die erforderliche Hilfe bei den gewöhnlichen regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die Pflege und der erhöhte Wäschebedarf. Diese Mehraufwendungen lassen sich konkret nur schwer belegen. Der Behindertenpauschbetrag dient daher hier der Vereinfachung.

Alle übrigen behinderungsbedingten Mehraufwendungen können neben dem Pauschbetrag zusätzlich steuermindernd geltend gemacht werden (vergl. § 33b Abs. 1 EStG, R 33b Abs. 1 EStR). Hierzu zählen: Arzneimittelkosten, Arztkosten, Kosten für einen Blindencomputer, Fahrtkosten für Arztbesuche etc, Führerscheinkosten für ein schwergehbindertes Kind, Kurkosten (soweit zwangsläufig), Operationskosten, Kosten für Prothesen, Kosten eines Treppenlifts, Umbaukosten eines Hauses/Autos (soweit nur vom Behinderten nutzbar).

Exkurs Pflegestufen/Pflegegrade:
Zur Leistungsabrechnung werden behinderte und pflegebeduerftige Personen von den Pflegeversicherungen in Pflegestufen und seit dem 1.1.2017 in Pflegegrade eingeteilt. Die Einstufung erfolgt durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) auf Antrag des Pflegebeduerftigen nach den Regeln des Pflegestärkunggesetzes II (PSG II). Die Voraussetzungen für Pflegebedürftigkeit sind im Gesetz (Elftes Buch des Sozialgesetzbuches – SGB XI) definiert. Hier heißt es: "Pflegebedürftig ist, wer körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen kann und deshalb Unterstützung benötigt."
Siehe hierzu die Info des Gesundheitsministeriums (link/pdf).
Bis zum 31.12.2016 erfolgte die Einstufung in die Pflegestufen 0, 1, 2 und 3.

Ab 1.1.2017 gelten die Pflegegrade 1 - 5.
Die Umgruppierung erfolgt die Pflegeversicherung/Krankenkasse, je nach individueller eingeschränkter Alltagskompetenz des Betroffenen. Bei Betroffenen mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen gilt die Umgruppierungsregelung bisherigen Pflegestufe + 1 gleich Pflegegrad. So wird Beispielsweise aus der bisherigen Pflegestufe 0, der Pflegegrad 1. Bei Betroffenen mit erheblicher eingeschränkte Alltagskompetenz, Beispielsweise durch Demenz, gilt die Umgruppierungsregelung bisherige Pflegestufe + 2. So wird Beispielsweise aus der bisherigen Pflegestufe 2, der Pflegegrad 4.
Wichtig: Gemäß BMF-Schreiben vom 19.8.2016 IVC8-S2286/07/10004:005 stehen die Pflegegrade 4 + 5 dem Merkzeichen "H" des Behindertenausweises gleich.

2.      Weitere Pausch-, Höchst- und Abzugsbeträge für Behinderte
Die Feststellung des Grades der Behinderung führt zu weiteren Steuervergünstigungen, wenn auf dem Bescheid oder dem Behindertenausweis auch noch ein besonderes Merkzeichen festgesetzt oder eine Schwerstbehinderung anerkannt (Pflegestufe III) wurde.

Merkzeichen B = Begleitperson
Das Merkzeichens B (Vorderseite des Ausweises unten) trifft eine Aussage darüber, dass der Betroffene aufgrund seiner Behinderung in individuell bestimmten Fällen (Beispielsweise bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel) auf die Hilfe einer Begleitperson angewiesen ist. Er ist jedoch nicht verpflichtet hierzu und kann im Einzelfall viele Dinge auch ohne Begleitperson erledigen. Des im Gegensatz zu Personen die eine ständige Hilfe benötigen, gem. den nachfolgend erläuterten Merkzeichen "BL" oder "H".

Merkzeichen H, Bl/Einstufung in Pflegegrade 4+5
Bei einem Merkzeichen „H“, wie „hilflos“ oder „Bl“ wie „blind“, ist der Behinderte nicht mehr in der Lage ohne fremde Hilfe alltägliche Dinge zu verrichten. In diesem Fall beträgt der  Behindertenpauschbetrag 3.700 €.  Dem Merkzeichen „H“ steht die Einstufung als Schwerstpflegebedürftiger in die Pflegegrade 4+5 gleich. Der Nachweis hierzu ist durch Vorlage des entsprechenden Bescheides zu führen (§ 65 EStDV).

Merkzeichen G, aG oder Behinderungsgrad von mindestens 70 %:
Bei einem Grad der Behinderung von mindestens 70 % oder einem Grad der Behinderung von mindestens 50 % und dem Merkzeichen „G“ wie „gehbehindert“ oder „aG“ wie „außergewöhnlich gehbehindert“ können neben den Behindertenpauschbeträgen, erhöhte Fahrtkosten steuerlich geltend gemacht werden. Hierzu gehören neben den Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel (z.B. Taxi) auch die Aufwendungen durch die Nutzung des eigenen Pkw.

Fahrten von und zur Arbeitsstätte

Abzugsfähig sind die tatsächlichen Aufwendungen oder bei Nutzung des eigenen Pkw, die Pauschbeträge für Dienstreisen von 0,30 € je gefahrenen Kilometer (§ 9 Abs. 2 S.11 EStG).

Für unvermeidbare behinderungsbedingte Privatfahrten:

Bei einer Behinderung von mindestens 80 % oder bei Vorliegen des Merkzeichens „G“ und einer Behinderung von mindestens 70 %, werden ohne Nachweis erhöhte Fahrtaufwendungen in Höhe von 3.000 km zu einem Pauschsatz von 0,30 € anerkannt (§ 33 EStG). Bei Hilflosigkeit bzw. Vorliegen des Merkzeichens „aG“, „Bl“ und „H“ werden erhöhte Fahrtaufwendungen bis zu 15.000 km noch als angemessen angesehen (R 189 Abs. 4 EStR). Hierzu ist jedoch eine Auflistung der Fahrten vorzulegen. Auch höhere Aufwendungen durch Vorlage entsprechender Fahrtaufstellungen und/oder der tatsächlichen Kfz-/Fahrtkosten, können steuermindernd berücksichtigt werden. Bei Schwerstbehinderten Personen (100 % + Mz: H, BL, B, aG) werden praktisch alle Fahrtaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Kann die behinderte Person selbst nicht fahren, können die Aufwendungen für die Begleitperson geltend gemacht werden.

Tipp: Um einen höheren KM-Satz als den Pauschsatz von 0,30 € je gefahrenen Kilometer steuerlich geltend zu machen, sind die tatsächlichen Fahrzeugaufwendungen zu belegen. Insbesondere bei höherwertigen Fahrzeugen und geringen KM-Leistungen lohnt sich dies im Einzelfall. Die zumutbare Eigenbelastung gem. § 33 Abs. 3 EStG ist zu berücksichtigen.

Ermittlung der tatsächlichen Fahrzeugkosten (bis einschl. VZ 2020):
Jährliche Abschreibung: Anschaffungskosten des Fahrzeuges lt. Beleg (Rechnung des Autohauses, Kaufvertrag o.ä.), verteilt zeitanteilig über die Nutzungsdauer. Die Nutzungsdauer eines Pkw beträgt in der Regel sechs Jahre. Besondere Umbaukosten für eine Behindertenfahrzeug werden ebenso auf die Nutzungsdauer verteilt. Im Falle einer nachträglichen Umrüstung hat der Bundesfinanzhof zwar den Abzug im Jahr der Anschaffung in voller Höhe gebilligt (vergl. BFH-Urteil vom 22.10.2009, BStBl. 2010 II S. 280). Dies kann im Einzelfall jedoch mangels ausreichendem zu einer Steuerbelastung führendem Einkommen ungünstig sein. Die Verteilung der Aufwendungen auf mehrere Jahre sollte in diesen Fällen beantragt werden. Der BFH regte hierzu eine Billigkeitsregelung seitens der Finanzverwaltung an (163 AO).

Lfd. Betriebskosten: Kfz-Steuer, Kfz-Versicherung, Kraftstoffkosten, Inspektions-, Reparatur- und sonstige Werkstattkosten. Nachzuweisen an Hand der Rechnungsbelege und Quittungen je Kalenderjahr.

KM-Leistungen: Der Kilometerstand lt. Fahrzeugtacho sollte beim Fahrzeugkauf und dann jeweils am 01.01. eines Kalenderjahres schriftlich festgehalten werden. So können die ermittelten Fahrzeugkosten des Jahres (Abschreibung, Betriebskosten) durch die gefahrenen Kilometer geteilt werden.

Beispiel: Kauf eines Pkw am 01.03.2020

1. Anschaffungskosten Pkw  inkl. behindertengerechter Umbau lt. Rechnung: 38.000 €

2. Jährliche Betriebskosten (vom 01.03. - 31.12.2020) lt. Belege: 2.121 €

3. Gefahrene Kilometer: 8.370 (Tachostand bei Übernahme = 1500 km - am 31.12.: 9870 km)

Ermittlung der Fahrzeugkosten je Kilometer:

Abschreibung (38.000 € / 72 Monate = 527,77 je Monat) für 10 Monate = 5.278 €

Fahrzeugbetriebskosten lt. Belege: Benzin: 1.071 €, Vers. + Steuer: 780 €, Inspektion u.a.: 270 €

Gesamtkosten = 7.399 € geteilt duch 8.370 km = 0,88 € je gefahrenen Kilometer.

Die zumutbare Eigenbelastung gem. § 33 Abs. 3 EStG ist zu berücksichtigen.

Behinderungsbedingter Fahrtkosten-Pauschbetrag (§ 33 Abs. 2a EStG) ab VZ 2021
Dieser beträgt:

-        900 € für geh- und stehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mind. 80 oder mit einem von mind. 70 und dem Merkzeichen „G“ und

-        4.500 € für außergewöhnlich gehbehinderte Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, Blinde oder behinderte Menschen mit dem Merkzeichen „H“

Darüber hinaus werden keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

Wichtig: Individuell ermittelte Aufwendungen werden ab VZ 2021 nicht mehr berücksichtigt!

3.      Arztkosten, Arzneimittel und sontstige  behinderungs- / krankheitsbedingte Mehraufwendungen
Aufwendungen für Arztkosten, Arzneimittel, krankheits- oder behinderungsbedingter Mehraufwendungen (ohne Pflegeaufwand) können (auch neben den Behindertenpauschbeträgen) steuerlich geltend gemacht werden.

Behinderungsbedingte Umbauten an Gebäuden sind nur abzugsfähig, wenn die Umbauten nur von Behinderten genutzt werden können und damit nicht den allgemeinen Wohnwert des Gebäudes erhöhen. Hierzu zählt u.a. der Einbau eines Treppenliftes, aber nicht der nachträgliche Anbau eines Personenaufzuges. Die bisherige Rechtsprechnung (Gegenwertstheorie) nachdem der Bauherr für seine Maßnahme einen Gegenwert erhält und diese allein dadurch schon nicht steuerlich abzugsfähig sein kann, bröckelt. Im Zweifel sollten die eindeutig nur von behinderten Personen nutzbaren Ein- und Umbauten steuerlich geltend gemacht werden. Die zumutbare Eigenbelastung gem. § 33 Abs. 3 EStG ist zu berücksichtigen.

Die Kosten der Unterbringung in einem Altenheim stellen vom Grund her noch keine außergewöhnliche Belastung da. Sie können zeitgemäß der bequemen Wohnen im Alter (wie auch betreutes Wohnen) zu geordnet werden. Erfolgt die Unterbringung jedoch krankheits- oder behinderten bedingt, so stellen die dadurch veranlassten Mehraufwendungen eine außergewöhnliche Belastung da. Soweit die Aufwendungen nicht durch den Behindertenfreibetrag abgedeckt sind (Pflegeaufwand) können die krankheits-/behinderungsbedingten Mehraufwendungen steuermindernd (§ 33 EStG) geltend gemacht werden. Die  krankheitsbedingten Heimunterbringungskosten sind um die Haushaltsersparnis zu kürzen (vergl. R. 33.3 Abs. 2 EStR).  In Höhe der verbleibenden zumutbaren Eigenbelastung können die Pflegeheimkosten im Rahmen des § 35a EStG (haushaltsnahe Dienstleistungen) geltend gemacht werden.   

Hinweis: Soweit die Unterbringung in einem Heim nicht krankheits- oder behinderungsbedingt erfolgt, kann ein Teil der Aufwendungen im Rahmen der Regelungen des § 35a EStG (haushaltsnahe Dienstleistungen) dennoch steuermindernd geltend gemacht werden.

4.      Erhöhter Pflegeaufwand durch Dritte:
Steuerpflichtige die krankheits- oder altersbedingt eine Haushaltshilfe beschäftigen können die Aufwendungen hierfür im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses oder eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Rahmen der Steuerbegünstigung nach § 35a Abs. 1 und 2 Einkommensteuergesetz gelten gemacht werden. Die maximale Steuervergünstigung beträgt bei einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis 20 % von 2.550 € (max. Aufwand) = 510 €  und bei einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis 20 % von 20.000 € = 4.000 €. Besondere krankheitsbedingte Nachweise sind seit 2009 nicht mehr erforderlich.

Für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen durch einen Pflegedienst ist ebenfalls eine Förderung gem. § 35a Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz möglich. Das gleiche gilt für die Aufwendungen die durch die Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege entstehen, soweit diese Kosten für Dienstleistungen enthalten, die mit einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind. Der Förderhöchstbetrag beträgt (tatsächliche Steuervergünstigung) 20 % von 20.000 € = 4.000 €. Im Detail hierzu wird auf das Anwendungschreiben des BMF zum § 35a EStG vom 15. 2.2010 verwiesen. Die krankheitsbedingten Aufwendungen sind vorrangig gem. § 33 EStG geltend zu machen. In Höhe der zumutbaren Eigenbelastung können die damit dann noch nicht steuerlich berücksichtigten Aufwendungen im Rahmen des Steuerabzugsbetrages gem. § 35a EStG geltend gemacht werden.

Die von einem Wohn- und Pflegeheim in Rechnung gestellten Pflegesätze können auch dann als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) geltend gemacht werden, wenn noch keine Pflegebedürftigkeit nach dem Pflegegrad 4 oder 5 und Hilflosigkeit bestätigt wurde. Allein die ärztliche Verordnung oder sonstige objektive Hinweise auf eine schwere Erkrankung reichen hierzu aus (BFH 10. 5.2007 III R 39/05).

Beispiel / Rechenschema:

Aufwendungen eines ambulanten Pflegedienste

./. Kostenerstattungen der Pflegeversicherung

=  selbstgetragene Aufwendungen

davon abzugsfähig als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 EStG

verbleibende zumutbare Eigenbelastung lt. Steuerberechnung = 3.000 €

Inanspruchnahme des Steuerabzugsbetrages in Höhe von 20 % = 600 € gem. § 35a EStG

(vergl. BMF Schreiben v. 15. 2.2010 Ziffer 28 / Az. IV C 4  - S 2296-b/07/0003)

Hinweis: Behinderte die den erhöhten Behindertenpauschbetrag (3.700 €, ab VZ 2021: 7.400 €) oder Steuerpflichtige die für die Betreuung den Pflegepauschbetrag in Höhe von 924€ (§ 33b Abs. 6 EStG) in Anspruch nehmen, können nicht gleichzeitig Pflegeaufwendungen gem. § 35 a EStG geltend machen.

5.      Begleitperson

Steuerpflichtige die einer ständigen Begleitung bedürfen (Eintragung im Schwerbehindertenausweis oder aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens), können auch die Aufwendungen (Fahrt, Übernachtungs- und Mehrverpflegungsaufwendungen) für diese Person steuerlich geltend machen (vergl. H 33.1 EStR).
Soweit nicht im Schwerbehindertenausweis festgelegt ist, dass der Betroffene einer ständigen Begleitperson bedarf und in Zweifelsfällen hierzu, bedarf es, zum Beispiel vor einer Kurmaßnahme einer Bescheinigung des Amtsarztes über die Notwendigkeit einer Begleitperson.  Die zwingende Notwendigkeit für eine Begleitperson ist stets anzunehmen bei blinden, querschnittsgelähmten und anderen Personen mit Merkzeichen H.

Auch bei Urlaubsreisen können die Aufwendungen für eine Begleitperson von bis zu 767€ je Kalenderjahr als außergewöhnliche Belastungen übernommen werden, soweit es sich nicht um den Ehegatten handelt.

6.      Steuerfreiheit des Pflegegeldes
Das erhaltene Pflegegeld aus der Pflegeversicherung ist gem. § 3 Nr. 1 a Einkommensteuergesetz steuerfrei. Dies gilt auch bei Weitergabe des Pflegegeldes an eine Pflegeperson, soweit das Pflegegeld für den Behinderten verwendet wird und nicht als Entlohnung dient. Dies ist zum Beispiel der Fall wenn der Behinderte bei einem Familienangehörigen im Haushalt aufgenommen und an diesen das Pflegegeld weitergeleitet wird.

7.      Sonstige Steuervergünstigungen
Weitere Steuervergünstigungen werden  – je nach Einzelfall – bei der Festsetzung der Kfz-Steuer, der Hundesteuer, der Grundsteuer, der Umsatzsteuer und der Erbschaftssteuer, gewährt.

8.   Sonstige Vergünstigungen (je nach Grad der Behinderung)

  • Anspruch auf Grundsicherung
  • Verbesserter Kündigungsschutz und Urlaubsanspruch am Arbeitsplatz
  • Verbilligter Eintritt bei Veranstaltungen / öffentlichen Einrichtungen
  • Befreiung von den Rundfunkgebühren 
  • Nutzung eines öffentlichen Behindertenparkplatzes 

Das Schwerbehindertengesetz enthält darüber hinaus für Schwerbehinderte besondere Nachteilsausgleiche wie Bevorzugte Einstellung, Altersrente mit 60, Soziale Wohnraumförderung, Wohngeld etc. Hierzu halten die Versorgungsämter amtliche Merkblätter bereit.

9.  Besonderheiten bei behinderten Kindern:

  • Gewährung des Kinderfreibetrages / Kindergeldes

Für ein Kind, das aufgrund seiner Behinderung außerstande ist sich selbst zu unterhalten, können die kindbedingten Vergünstigungen wie Kinderfreibetrag / Kindergeld / Entlastungsfreibetrag für Alleinerziehende – ohne Altersbegrenzung – weiter gewährt werden. Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Ablauf der Altersbegrenzung für die steuerliche Berücksichtigung als Kind (25  Jahre) entstanden ist.

  • Übertragung der Pauschbeträge

Der Behindertenpauschbetrag des Kindes kann auf die Eltern übertragen werden. 

  • Inanspruchnahme des Pflegepauschbetrages

Der Pflegepauschbetrag kann von den Eltern auch dann in Anspruch genommen werden, wenn bereits der Behindertenpauschbetrag auf die Eltern übertragen wurde. 

  • Geltendmachung von Fahrtkosten zu Ärzten etc. und

sonstigen behinderungsbedingten Aufwendungen.

Die außergewöhnlichen Aufwendungen die, die Eltern wegen der Behinderung ihres Kindes tragen, können – bis auf die Pflegeaufwendungen – als allgemeine außergewöhnliche Belastungen unter Anrechnung der zumutbaren Eigenbelastung steuermindernd berücksichtigt werden. Hierzu zählen Arztkosten, Arzneimittel, Fahrtkosten (wie unter Ziffer 2) etc. 

  • Kinderbetreuungskosten

Die Aufwendung für die Betreuung eines Kindes können im Rahmen der Regelungen zu den Kinderbetreuungskosten (§§ 4f, 10 Abs. 8 EStG) und zu den haushaltsnahen Dienstleistungen (§ 35a EStG) geltend gemacht werden.

10.Vergünstigungen für pflegende Personen
Wegen der außergewöhnlichen Belastung, die einer Person durch die Pflege einer hilflosen (schwerstbehinderten) Person entstehen, kann der Pflegepauschbetrag (§33b Abs. 6 EStG) steuermindernd geltend gemacht werden.

Höhe des Pflegepauschbetrags:

bis VZ 2020:                                               924 €

ab VZ 2021:  bei Pflegegrad 2                     600 €
                     bei Pflegegrad 3                  1.100 €
                     bei Pflegegrad 4 oder 5       1.800 €

 Voraussetzung hierfür ist, das eine enge persönlichen Verpflichtung der helfenden Person zu der hilflosen Person besteht und für die Leistungen kein Entgelt gewährt wird. Weitere Anspruchvoraussetzung ist, dass die Pflege im Inland entweder in der Wohnung der pflegenden Person oder in der Wohnung der behinderten Person erfolgt. Die Bedingung gilt auch dann als erfüllt, wenn die Pflege nicht persönlich, sondern zeitweise durch Beauftragung eines ambulanten Pflegedienstes erfolgt (R 33b Abs. 4 EStR).

Erfolgt die Pflege durch mehrere Personen, wird der Pflegepauschbetrag entsprechend geteilt. Die Pflege darf nicht gegen Entgelt geleistet werden. Der Nachweis der Hilflosigkeit einer Person ist durch Vorlage des Behindertenbescheides mit dem Merkzeichen „H“ oder „Bl“ oder der Einordnung in die Pflegegrade 4 oder 5 erbracht.

Erfolgen an Großeltern, Eltern, Kinder oder andere Personen gegenüber denen eine zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtung besteht, lfd. Unterstützungsleistungen, können diese im Rahmen der Regelungen des § 33a Einkommensteuergesetz steuerlich geltend gemacht werden. Hierzu zählen auch die Zuzahlungen die aufgrund eines Bescheides der Sozialbehörden von Angehörigen zu leisten sind. (Vergleiche auf BMF-Schreiben vom 2.12.2002). Daneben können ebenso andere außergewöhnliche Belastungen wie Fahrt- und Übernachtungsaufwendungen als Begleitperson  etc. unter Abzug der zumutbaren Eigenbelastung gem. Ziffer 2 geltend gemacht werden.

Aufwendungen für Krankenbesuche von Verwandten gehören nach ständiger Rechtssprechung des Bundesfinanzhofes nicht zu den außergewöhnlichen Belastungen. Dies auch bei einer hohen Zahl von Besuchen im Jahre und auch wenn diese zur Hilfe und Erledigung von Besorgungen für den Kranken unerlässlich sind. Eine Ausnahme gilt, wenn die Besuche medizinisch iniziert sind. Dies muss durch ein ärztliches Attest begründet und belegt werden (vergl. BFH 24.05.1991 III R 28/89).  

Im Falle einer Erbschaft können übernommene Pflegeverpflichtungen vom dem zu erbenden Vermögen steuermindernd berücksichtigt und darüber hinaus Freibeträge in bestimmten Fällen (§ 13 Abs.1 Nr.6 ErbStG) beansprucht werden.

11. Unterstützungsleistungen oder Pflichtbeiträge durch Angehörigen
Leisten in gerader Linie Verwandte (Enkelkinder, Kinder, Eltern, Großeltern) Beiträge zur Unterstützung eines kranken oder pflegebedürftigen Angehörigen, so kann es sich hierbei um Unterhaltungsleistungen im Sinne von § 33a EStG oder um außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 EStG handeln.

Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 30. 6.2011 (VI R 14/10) handelt es sich bei einer krankheitsbedingten Unterbringung in einem Alten- oder Pflegeheim grundsätzlich um außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 EStG. Hierbei ist die zumutbare Eigenbelastung in Abzug zu bringen. Eine Aufteilung zwischen Unterhaltsleistung im Sinne von $ 33a und krankheitsbedingte Mehraufwendungen im Sinne von § 33 EStG ist nicht möglich.

Handelt es sich um Pflegekosten, und dies ist bei Unterbringung in einem Pflegeheim grundsätzlich der Fall, so kann der nicht berücksichtigte Betrag der zumutbaren Eigenbelastung im Rahmen der beschriebenen Regelungen nach §35a EStG (haushaltsnahe Dienstleistungen) berücksichtigt werden. Denkbar ist auch, dass die Angehörigen die Aufwendungen für einen häuslichen Pflegedienst direkt übernehmen. In diesem Fall können die Aufwendungen auch bei den Angehörigen anteilmäßig als Pflegeleistungen im Sinne von §35a Abs. 4 EStG steuermindernd geltend gemacht werden.

 

Stand November 2021

 

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