Allgemein

Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft (Anrufungsauskunft)

Der Wunsch nach Rechtssicherheit brennt den Steuerpflichtigen wie auch den Beratern auf den Nägeln. Komplexe und kostenintensive Fallgestaltungen lohnen sich nur, wenn der damit verfolgte steuerliche Erfolg auch eintritt. Entscheidungen hätte man oft vorteilhafter treffen können, wenn die später stattgefundene steuerrechtliche Würdigung durch die Finanzverwaltung im Vorfeld bekannt gewesen wäre. Gerade Gestaltungen, die sich nicht auf eindeutige gesetzliche Regelungen, sondern eher auf die aktuelle und ggf. vom Gesetz abweichende Rechtsauffassung oder die Rechtsprechung begründen, unterliegen oft einem unerwarteten Verfallsdatum. Hinzu kommen komplexe Vorgänge, die aufeinander aufbauen und/oder verschachtelt sind und bei unterschiedlicher steuerlicher Betrachtung erhebliche finanzielle Risiken in sich bergen.

Mit der Vorschrift des § 89 Abs. 2 AO und den hierzu ergangenen Entscheidungen wurde ein Instrument geschaffen, dass es dem Steuerpflichtigen ermöglicht in entsprechend bedeutenden Fällen vor seinem Handeln eine, die Finanzverwaltung verpflichtende Auskunft (Auskunft mit Bindungswirkung) einzuholen. Dem Auskunftsbegehren des Bürgers nachzukommen liegt jedoch im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Es besteht damit kein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer verbindlichen Auskunft. Das Ermessen ist auch nicht fehlerhaft ausgelegt, wenn die Finanzbehörde mit Blick auf eine anstehende Entscheidung (BFH, BMF) die Erteilung einer verbindlichen Auskunft verweigert. Auch zu Gestaltungsmodellen, die nicht wirtschaftlich, sondern rein steuerlich motiviert sind, (Steuersparmodelle) wird erfahrungsgemäß die Finanzverwaltung keine verbindliche Auskunft erteilen.

Der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft und die Entscheidung der Finanzbehörde hierüber bedürfen der Schriftform. Die Ablehnung einer verbindlichen Auskunft ist ein Verwaltungsakt, der mit dem Einspruch angefochten werden kann. Ein vorläufiger Rechtsschutz (§ 361 AO) ist nicht möglich. Auch eine falsche Auskunft der Finanzbehörde ist für diese bindend. Solange der Sachverhalt, der Gegenstand der verbindlichen Auskunft ist, nicht verwirklicht ist, kann die Finanzbehörde jedoch die Auskunft mit Wirkung für die Zukunft aufheben (§ 2 Abs. 3 StAuskV). Ansonsten bleibt es nur bei den Korrekturmöglichkeiten gem. §§ 129 bis 131 AO. Eine falsche negative Auskunft der Finanzbehörde ist für den Steuerpflichtigen nicht bindend. Der Steuerpflichtige kann sich auf die geltenden gesetzlichen Regelungen berufen.

Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft erfolgte gegen Gebühren, die im Einzelfall erheblich sein können. Nach Auffassung des BFH ist dies legitim, da durch das Handeln der Finanzverwaltung dem betroffenen Steuerpflichtigen ein Vorteil zukommt, der nicht auf Kosten der Allgemeinheit geregelt werden kann (BFH 30.3.2011 – I R 61/10).

Zum Antragsverfahren wurde die „Verordnung zur Durchführung von § 89 Abs. 2 AO“ die sogenannte Steuerauskunftsverordnung (StAuskV) erlassen.

Demnach ist der Antrag schriftlich beim zuständigen Finanzamt (§§ 18 – 21 AO) zu stellen, dass mit der späteren Veranlagung betraut ist und hat folgende Informationen zu enthalten: 

  1. Genaue Bezeichnung des Antragstellers (Name, Anschrift, Steuer-Nr) Achtung: Bezieht sich die Auskunft auf einen Sachverhalt der mehrere Beteiligte betrifft, kann der Antrag nur gemeinschaftlich gestellt werden (§ 1 Abs. 2 StAuskV)
  2.  Eine umfassende und in sich geschlossene Darstellung des zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichten Sachverhalts
  3.  Die Darlegung des besonderen steuerlichen Interesses des Antrages
  4.  Eine ausführliche Darlegung des Rechtsproblems mit eingehender Begründung des eigenen Rechtsstandpunktes des Antragstellers
  5.  Die Formulierung konkreter Rechtsfragen
  6.  Die Erklärung, dass über den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt noch bei keiner anderen Finanzbehörde eine verbindliche Auskunft beantragt wurde
  7.  Die Versicherung, dass alle für die Erteilung der Auskunft und für die Beurteilung erforderlichen Angaben gemacht wurden und der Wahrheit entsprechen

Wichtig: Je präziser der steuerliche Sachverhalt geschildert und je fundierter die eigene Rechtsauffassung hierzu unterlegt und belegt wird, umso schneller und preisgünstiger kann mit einer verbindlichen Auskunft gerechnet werden. Die Fragestellung an die Finanzverwaltung zu den selbstgezogenen und dargelegten steuerlichen Konsequenzen sollte diese möglichst mit Ja oder Nein klar beantworten können. 

Gebühren

Grundlagen für die von der Finanzverwaltung erhobenen Gebühren bilden § 89 Abs. 3 AO. Demnach werden die Gebühren nach dem vom Antragsteller zu benennenden Gegenstandswert (Wert des Interesses/Anwendung des § 34 Gerichtskostengesetzes) berechnet.

Die Wertgebühr ist nach Anlage 2 zu § 34 des Gerichtskostengesetzes zu ermitteln (Ausnahme Bagatellgrenze bis 10.000 €)

Soweit über den Gegenstandswert keine Einigung erzielt werden kann, erfolgt die Abrechnung nach einer Zeitgebühr von 50 € je angefangene halbe Stunde.

Bagatellgrenze: Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurde eine Bagatellgrenze von 10.000 € Gegenstandswert und 200 € (= zwei Stunden) Zeitgebühr eingeführt. Bis zu einem Wert von 10.000 € entfällt damit die Gegenstandsgebühr und bis zu einer Bearbeitungszeit von zwei Stunden erfolgt keine Berechnung der Zeitgebühr. Die Neuregelung tritt mit dem Tag der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes in Kraft.

Dokumentationspflicht der Finanzbehörde bei Berechnung der Zeitgebühr

Die Bearbeitungszeit ist von der Finanzbehörde zu dokumentieren. Als Bearbeitungszeit rechnen die Zeiten zur Ermittlung des vorgetragenen Sachverhaltes und zur rechtlichen Würdigung. Hierzu gehören ggf. auch die Zeiten einer vorgesetzten Finanzbehörde (Bsp. OFD).

Hinweis: Unverbindliche Auskünfte der Finanzbehörde sind wie bisher gebührenfrei

Regelungen zur Erlangung

einer die Finanzverwaltung verpflichtenden Auskunft:

§ 89 Abs. 2 AO – Wie oben beschrieben.

§ 204 AO – verbindliche Zusage

§ 42e EStG - Lohnsteueranrufungsauskunft

Art. 12 Abs. 2, 3 ZK -  Zolltarifauskunft

BFH-Grundsatz von Treu und Glauben (BMF-Schreiben v. 29.12.2003)

 

19.10.2011

Dieter P. Gonze, Stb.